Theatertreffen der Jugend - prima klima



Trotz der am Dienstagnachmittag moderierten Diskussion zum Thema “Rassismus und Theater” in den Berliner Festspielen stattgefunden hatte, hing während der Vorstellung von “prima klima” von rohestheater, der Theatergruppe der Mies-van-der-Rohe Schule in Aachen, dennoch eine gewisse Anspannung im Raum. Aufgrund der rassistischen Darstellungen im Trailer für die akademie der autodidakten bei der Eröffnung, spürte man ein leichtes Misstrauen im Publikum, dass sich bei sehr stereotypischen Darstellungen in Szenen und vor allem bei dem Chorruf von “Wer hat Angst vor'm fremden Mann?” nur verstärkte.
Doch worum geht es eigentlich mi Stück? Der Titel deutet es schon an: es geht um den Klimawandel. Die Theatergruppe erörtert die Fragen, was der Klimawandel überhaupt, welche Auswirkungen er hat, bzw. haben könnte, wer daran Schuld sei und was nicht nur Menschen in Führungspositionen, sondern auch der einzelne Mensch dagegen tun kann. Dramaturgisch führt die immer wieder stückeweise vorgetragene Geschichte des Fischers und seiner Frau durch die Inszenierung, in der die Frau nie zufrieden ist, mit dem, was sie hat und deshalb ihren Mann fortwährend darum bittet, den von ihm freigelassenen Fisch um die Erfüllung ihrer Wünsche zu bitten. Nichts genügt ihr, kein Haus, kein Schloss, kein Königsein, Kaisersein oder Papstsein, bis sie letztendlich Gott höchstpersönlich sein will.



Diese Geschichte des immer-mehr-wollens wird in einer Szene mit dem Rammsteinlied “Mehr” und einer kampfähnlichen Choreografie, die sich auch immer wieder durchs Stück zieht, untermauert. Die Schauspieler*innen brüllen den Text mit und führen die Choreografie fort, bis es schließlich in einer Mischung aus Pogen und gegenseitigem Prügeln um die Wasserschläuche, die auf dem Bühnenbild drapiert sind, übergeht.
Das Bühnenbild an sich ist statisch, wird aber immer wieder als Leinwand für Film- und Bildprojektionen verwendet. So dient es in einer Szene zum Beispiel als Projektionsfläche für eine entstehende Grafik, die die Zusammenhänge zwischen anthropologischen Faktoren, wie Industrie, und dem Klimawandel aufzeigen soll.
Hier setzt jedoch schon mein Kritikpunkt an: viele der Szenen und Darstellungen sind sehr plakativ. Ich gehe schließlich nicht ins Theater, um ins Gesicht gesagt zu bekommen, dass Massentierhaltung der Umwelt schadet. Das weiß ich entweder dank gesundem Menschenverstand oder ich google es. Ich gehe ins Theater, um eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema zu sehen und ein Dialog auf der Bühne, in denen diskutiert wird, wer denn jetzt am Klimawandel Schuld ist, ist ohne den Einsatz künstlerischer Mittel immer noch ein Dialog auf der Bühne. Und dass die Gruppe von rohestheater weiß, wie künstlerische Mittel eingesetzt werden, zeigt sich immer wieder im Stück; sei es durch Choreografie, Gesang oder die kurzweilige Herausbildung von Rollen.



Mitunter ist das Stück nicht nur plakativ, sondern stellt auch Stereotype deutlich heraus. Zwar ist die Einbindung von Stereotype per se ja nichts Schlechtes, aber wenn es sich durch die gesamte Inszenierung zieht, wirkt die Produktion schnell schwarz-weiß und weniger reflektiert und facettenreich. Das beste Beispiel ist hierfür eine Szene, in der eine der Schuaspieler*innen einem anderen erklärt, eine Gesellschaft sei für sie ein Dominosystem und jedes kleine bisschen Gute, was ein einzelner Mensch tut, kann Großes bewirken. Ihr Gesprächspartner vertritt hier die extreme Gegenposition und meint, wenn er selbst etwas an seinem Umweltverhalten ändere, nütze das gar nichts und die großen, umweltverschmutzenden Länder sollten doch lieber was gegen den Klimawandel tun. Zwei Gegenpositionen herauszustellen ist ja legitim, aber nicht, wenn sich diese Positionen als die einzigen beiden mi kompletten Stück herausstellen. Entweder bist du gut und tust selbst was gegen die Umweltverschmutzung oder du bist schlecht und schiebst die Schuld auf andere. Durch die überemotionale Darstellung der Schauspielerin in der eben beschriebenen Szene wird diese fast schon Anklage noch deutlicher.
Das Stück “prima klima” ist durchaus sehenswert, aber dennoch fehlte in wichtigen Szenen die Reflexion und kritische Betrachtung der eigenen Darstellung. Was ja im Prinzip genau das Problem war, das die Aachener Gruppe bei der Eröffnung hatte. Beim Hinausgehen aus dem Saal fasste eine Zuschauerin meine Gedanken dazu perfekt in Worte: “Ich fands gut. Aber es ist halt vorbelastet.”

Text: Jessica Müller

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