≈ [ungefähr gleich]




Ach ja, der gute alte Kapitalismus. Ein Universum, in dem nur das Geld glücklich macht. Oder doch nicht? Dieser Frage gehen die Darsteller*innen in Jonas Hassen Khemiris „ [ungefähr gleich]” unter der Regie von Mina Salehpour in der Schaubühne Berlin nach. Heißt „sich treu bleiben“ gleichzeitig auch, nicht an Geld zu denken? Wem vertraue ich in so einem System? Und kann man dieses System von innen heraus zerstören, wenn man es erst mal verstanden hat?


Vorstellung vom 14. Mai 2017 in der Schaubühne Berlin
Rezension von Jessica Müller
 

In einer Verbindung aus wirtschaftstheoretischen Ansätzen, Lebensgeschichten und Alltagssituationen wird mit viel Humor untersucht, was das Geld mit uns macht, beziehungsweise was wir aus dem Geld machen.

-Sehnsucht nach Luxus-

Auf der Suche nach dem Glück werden die Geschichten von fünf Menschen erzählt, deren Weg permanent in Verbindung mit Geld steht. Da gibt es zum Beispiel den Obdachlosen Peter, der erzählt, seine Schwester hätte einen Autounfall gehabt und er bräuchte nun Geld, um sie zu besuchen. Glaubt man ihm? In Deutschland muss doch eigentlich niemand auf der Straße leben! Seine Szenen zeigen auf, dass nicht alles einfach nur schwarz-weiß gesehen werden kann und hinterfragt, inwiefern sich Menschen gegenseitig vertrauen, wenn es um Geld geht. Die Kioskbesitzerin Martina hingegen erlebt, wie die Sehnsucht nach Luxus sie verändert, bis sie schließlich nicht nur anfängt zu klauen, sondern auch vertraute Menschen verrät.




Gemischt werden diese Ereignisse mit Erläuterungen verschiedener Wirtschaftstheorien, die aber so gut auf die verschiedenen Beispiele bezogen und auf wirklich unterhaltsame Weise dargestellt werden, dass sie eine große Bereicherung statt Momente der Langeweile darstellen. Auch das Bühnenbild unterstützt die szenische Darstellung und wird dem Publikum mit dem Fortschreiten des Stückes immer schlüssiger. Das Hauptelement des Stückes ist aber eindeutig das Konfetti. Natürlich ist Konfetti im Zusammenhang mit Geld kein wahnsinnig innovativer Gedanke, aber gut passen tut es dennoch und sieht somit nicht nur schön aus, sondern unterstreicht auch einige sehr gelungene und lustige Momente im Stück.

-oberflächliche Kapitalismuskritik-

In „ [ungefähr gleich]” werden bestehende Wirtschaftsformen hinterfragt und kritisiert, es werden alternative Möglichkeiten erdacht und verschiedene Lebensansätze erforscht. Leider bleibt die Hauptaussage doch recht einseitig: irgendwie sind wir (oder machen uns erst) doch alle abhängig vom Geld. So gut unsere Intentionen auch sein mögen, wir kommen doch nie wirklich um die Doktrin des Kapitalismus herum. Man könnte vielleicht auch meinen, dass der permanente Einsatz von Witzen und Pointen das Stück nur an der Oberfläche der Kapitalismuskritik kratzen lässt, aber meiner Meinung ist es gerade das, was dem Stück ein wenig mehr Kontrast verleiht. Ohne den Einsatz von Humor wäre das Stück wahrscheinlich wesentlich anklagender und melodramatischer, weswegen es gerade dadurch eine frische und selbstreflektierende Note erhält.




Vielleicht macht der Kapitalismus schlechte Dinge mit uns, vielleicht machen wir aber auch schlechte Dinge mit dem Kapitalismus. In welcher Weise auch immer es uns affektiert, das Geld ist unser ständiger Begleiter und ob wir es wollen oder nicht, wir werden durch diese Tatsache beeinflusst. Dass es noch wesentlich mehr Lebensentwürfe, Geschichten, Einstellungen und Handlungsoptionen hinsichtlich dieses Themas gibt, als es in „ [ungefähr gleich]“ aufgezeigt wird, steht außer Frage. Dennoch habe ich das Stück sehr genossen und freute mich darüber, etwas zu sehen, was eine Thematik kritisch und zugleich humorvoll beleuchtet.

FOTO: Gianmarco Bresadola

Share this:

, , , , ,

CONVERSATION

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen