Aufgeklärte Märchenfiguren im Deutschen Theater



Göttingen. Die Grimm-Trilogie „Weil sie nicht gestorben sind“ unter der Regie von Brit Bartkowiak feierte Anfang März Uraufführung im Deutschen Theater Göttingen. 

In dem Stück lässt Autorin Hannah Zufall die Figuren aus den Volksmärchen „Allerleirauh“, „Brüderchen und Schwesterchen“ sowie „Die sieben Raben“ wissen, dass sie fiktional und Teil eines Märchens sind. Ein Biss in einen Apfel sorgt in „Allerleirauh“ dafür, dass die Figuren ihrer Fiktionalität bewusst werden. Resultat: Das Untier (Moritz Schulze) will nicht mehr Teil des Märchens sein. Denn immer, wenn ein Kind das Märchen liest, wird dem Untier der Pelz von den Jägern des Königs (Karl Miller) abgezogen. Damit soll jetzt Schluss sein. Das Untier versucht, den Verlauf des Stückes zu ändern und in die Handlung einzugreifen. Dabei stellt Hannah Zufall die Geschichte von Inzest und Pädophilie zwischen Allerleirauh und König heraus.

Nach dem noch märchenhaft anmutenden Allerleirauh kommt der Bruch. Albert und Alba („Brüderchen und Schwesterchen“) leben die Extreme: Alkoholexzesse, Inzest und Partys. Die Figuren amüsieren sich über die Grimms und schreiben ihre eigene Geschichte. Eine bunte Bühne mit farbenfrohen Kostümen weicht einem in Schwarz gehaltenen Auftritt des Geschwisterpaars.

Hinkelbeinchen (überzeugend: Katharina Uhland) weiß auch um seine Geschichte. Wie ein Stand-up Comedian steht es in „Die sieben Raben“ allein vor dem Publikum und erzählt von diesen Vögeln. Als das Licht auszugehen droht, redet es einfach weiter – Hinkelbeinchen will nicht, dass der Abend zu Ende geht. Die Kollegen Moritz Schulze und Karl Miller müssen Hinkelbeinchen von der Bühne tragen, damit es das Ende akzeptiert. Während Schulze und Uhland in ihren Rollen wechseln und immer wieder andere Märchen auf die Bühne bringen, verbleibt Karl Miller in seiner Rolle als König. Dadurch verschwimmen die Grenzen der einzelnen Erzählungen, und die Grimms haben in diesem Märchenwald nichts mehr zu sagen.

Erschienen im BLICK Göttingen: http://www.die-wochenblaetter.de/goettingen/lokales/maerchen-ohne-grimmsweil-sie-nicht-gestorben-sind-im-deutschen-theater-d8281.html

Share this:

, , ,

CONVERSATION

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen