Is it too early Deutschland? - Schlimmer als Jan Böhmermann

Geht es überhaupt noch Schlimmer als Jan Böhmermann?

Hannover. Es ist 20.15 Uhr auf einer Bühne in Deutschland. Eigentlich ist gerade Prime-Time im deutschen Fernsehapparat, aber ein gewisser Jan Böhmermann betritt an diesem Abend einen weiteren Veranstaltungsort auf seiner "Schlimmer als Jan Böhmermann Tour". Mit einem schelmischen Lächeln begrüßt er das Publikum und lästert von seinem letzten Auftritt. Das letzte Publikum habe nur lange Mienen gemacht; das könnte daran gelegen haben, dass jeder zweite Platz von einem Pferd besetzt wurde, so Böhmermann. Natürlich mache er die gleichen Witze nicht bei seinem nächsten Auftritt, versichert er lachend seinem heutigen Publikum.



Böhmermann nutzt die Leinwand als Einspielerersatz.


Mit schnellen Worten stellt er die drei goldenen Regeln des Abends vor. 
  1. Tragödie + Zeit = Komödie
  2. Lebt den Abend als könnte euch jederzeit der Schlag treffen; "Bei mir ist das nicht ganz so schlimm, wenn mich der Schlag treffen würde. Ich arbeite ja bei der ARD und könnte dann für 350.000€ im Jahr Lose verkaufen.
  3. Wer das Flugzeug MH370 hat, kann es endlich wieder rausgeben, it's enough, am Anfang war es noch lustig. Vor allem seien keine Deutschen an Bord gewesen. (Böhmermann verweist auf seine erste Regel!)

Vorsicht geboten: Böhmermanns schelmisches Lächeln.




Puh, das hat schon gesessen. Mit pechschwarzem Humor bringt Böhmermann von Anfang an sein elaboriertes Publikum zum lachen. Sein "Gymnasiasten-Humor" kommt gut an. Man muss schon etwas Bescheid wissen, um seinen Humor richtig auffassen zu können. Die Besucher dieses Abends nennt Böhmermann "Dissoziale Dauermasturbatoren", die sich von World of Warcraft losgerissen hätten. Er versuche an diesem Abend eine Schicksalsgemeinschaft zu erschaffen, so wie auf der Costa Concordia mit ihm als Kapitän. Sobald es scheiße läuft kann er die brennende Bühne und die sinkende Show verlassen.


Der gelernte Moderator und Journalist hat es sich zur Aufgabe gemacht mit einem Haufen Selbstironie die Herzen seines Publikums zu erobern. "Das deutsche Volk ist sehr humorvoll. Im Grunde war der Zweite Weltkrieg auch nur ironisch gemeint." , witzelt Böhmermann. Bei seinem fast ekstatischen Reden fällt ihm auf, dass er sehr viel herumspuckt und reagiert gekonnt spontan direkt an die Besucher in der vordersten Reihe: "Ich spucke sehr stark. In Erlangen sind zwei Frauen schwanger geworden, da ich mir vor der Show, um in Laune zu kommen, mir erstmal selbst einen blase." Hat er das wirklich gesagt? Ja hat er. Aus den hinteren Reihen hört man nur als Aufforderung "Probier es mal aus". Alles lacht.  Egal wie grotesk der Witz scheint, das Publikum will es hören und wartet nur auf die nächste Pointe.


Böhmermann interagiert viel mit dem Publikum.
Seine spontane Art kommt gut an.


























Tagesaktuell macht sich Böhmermann auch über Markus Lanz lustig und singt mit den Zuschauern einen Gospel: "Set Markus Lanz free". Zwischendurch bringt er dabei noch Elemente aus seinem NeoMagazin unter, die er im Fernsehen schon in den Mittelpunkt gestellt hat. 

Natürlich ahnt das Publikum schon vor der Show, dass es gestalkt wurde. Denn Jan Böhmermann kritisiert die öffentlichen Medien durch seine Kategorie "Prism is a Dancer", bei der sich Böhmermann über die Posts bei Twitter und Facebook von seinem eigenen Publikum lustig macht. "Ich liebe Mobbing.", gibt Böhmermann zu. Tosender Applaus aus dem Publikum. Es kommt weiter gut an solange nur Einzelpersonen und nicht man selbst betroffen ist und in Gefahr gerät bloßgestellt zu werden. 

Auch ein Reisebericht über Berlin trägt Böhmermann zu mit dem Titel "Eigentlich mag ich Berlin, aber eigentlich auch irgendwie nicht". Es handele sich dabei um einen ziemlich guten Text, denn alle Buchstaben seien enthalten... manchmal sogar doppelt. In Berlin sei es in letzter Zeit ziemlich leise um Eisbär Knut und seinen Pfleger Thomas geworden, obwohl es das beliebteste Tier-Mensch-Duo seit Klaus und Klaus geworden sei. Ein Raunen geht durchs Publikum. War das Thema zu sensibel? Böhmermann fragt sofort nach: "Is it too early, is it too early?". Kann man darüber schon Witze machen? Das Publikum nimmt es amüsiert hin und hofft insgeheim, dass der nächste Witz noch böser und gemeiner wird. 




Schlimmer als Jan Böhmermann endete in Bremen am 27. Mai



Böhmermann schließt mit einer Ode an die 90er und einem
Schlusslied mit Einspielern von Olli Schulz ab. Das Publikum genießt diese gekonnte Selbstironie und noch ist jeder Witz gut angekommen. Denn scheinbar bewährt sich Böhmermanns erste goldene Regel: Tragödie + Zeit = Komödie. Irgendwann kann man über alles Witze machen und da ist Hitler noch das harmloseste. 

Bald wird Böhmermann dann um 20.15 Uhr wieder im Fernsehen zu sehen sein und vielleicht ein ähnliches revolutionäres Programm wie seine letzte Show kreieren. Und dann stellt man sich wieder die altbekannte Frage: Is it too early?

Fotos und Text: Vincent Lubbe
Aus dem Archiv: 30.05.2014

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